Overstolz ohne Filter

148 x 210 mm

Overstolz ohne Filter 
Eine Vater - Sohn - Erzählung 
Overstolz ohne Filter war nach dem 2. Weltkrieg die Lieblingszigarettenmarke meines Vaters. Im Krieg rauchte er Eckstein aus der grünen Packung, danach Overstolz und in den siebziger Jahren Reval ohne Filter. Mein Vater rauchte sehr gerne. So gern, dass ich in meiner Kindheit schon mal eine Schachtel Overstolz für eine Mark die Zwölfer-Packung kaufte, liebevoll in Geschenkpapier einwickelte und ihm zu Weihnachten oder zum Geburtstag schenkte. Ich dagegen habe als junger Mann Camel Filter geraucht, das erschien mir irgendwie locker und lässig.  
Unsere unterschiedliche Markenbindung beim Rauchen war genau genommen aber nichts Trennendes. Jedenfalls nicht im Vergleich zu den anderen Unterschieden unserer Lebenseinstellungen und Lebensverläufe.  Im Gegenteil, das Rauchen schuf in den siebziger Jahren eine gewisse Gemeinsamkeit. Eine der wenigen Gemeinsamkeiten bei all dem Trennenden. Mein Vater war Berufssoldat, ich war Kriegsdienstverweigerer. Mein Vater war Nationalsozialist, ich war Kommunist, zumindest eine Zeitlang. Unsere unterschiedlichen Lebensverläufe habe ich wie ein Puzzle nebeneinandergelegt. Es ist ein Spiegelbild der Unterschiedlichkeit der Zeiten, in die wir hinein geboren wurden und die uns prägten. Und mit der wir   fertig werden mussten.  Jeder auf seine Weise. 
Ob im idyllischen Dornum an der Nordsee, im westfälischen Münster oder südlich von Kiew in der Ukraine, immer wieder zeigten sich bei meinem Streifzug durch das vergangene Jahrhundert von 1913 bis 1978 Spuren des Antisemitismus und der Judenvernichtung. Und eines Schweigens darüber, das sich wie Mehltau auf den Dialog der Kriegs- und Nachkriegsgenerationen legte.  

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